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as Erbrecht hierzulande ist bereits kompliziert und umfangreich. Findige Rechtsanwälte erstöbern Lücken oder Unklarheiten in den Gesetzestexten, wodurch sich langwierige Rechtsstreitigkeiten zwischen Erben vor Gericht ergeben. Noch komplizierter kann es jedoch sein, wenn der Erblasser kein deutscher Staatsbürger war oder es um einen Nachlass im Ausland geht.​

Schnell kommt dann die Frage auf: Greift nun das deutsche Erbrecht oder müssen die Gesetzesvorlagen des fremden Landes Berücksichtigung finden? Aufklärungsbedarf ist gefragt. Folgende Erläuterungen geben einen kleinen Einblick über das Thema. Für tiefer gehende Fragestellungen oder Einzelfälle sollte allerdings immer ein Rechtsanwalt konsultiert werden.

Ausländisches Erbrecht: eine Frage nach dem Wohnsitz und der Staatsangehörigkeit

Aus vielfältigen Gründen kann es sein, dass bei einem Nachlass auch die ausländischen Erbrechtsordnungen herangezogen werden müssen. So besaß beispielsweise der Erblasser neben seiner Wohnung in München noch Immobilien im Ausland. Vielleicht war der Erblasser selbst ausländischer Staatsbürger, aber lebte in Deutschland. Darüber hinaus gibt es die große Gruppe an Deutschen, die im Ausland leben und dort auch sterben. Sehr schwierig kann ein Fall sein, bei dem der Verstorbene einen nicht-deutschen Ehepartner hatte.

Wie auch immer sich der Einzelfall darstellt, stets steht die Frage im Raum: Wie wird mit den Nachlass umgegangen? Findet deutsches Erbrecht Anwendung oder muss sich nach dem ausländischen Erbrecht gerichtet werden? Die Antworten auf diese Fragen sind nach dem Internationalen Privatrecht reguliert. Dieses fragt im ersten Schritt nach der Staatsangehörigkeit des Erblassers und dann nach seinem Wohnort.

Neue Erbrechtsverordnung: deutsches Erbrecht findet im Ausland (fast) keine Anwendung mehr

Am 17. August 2015 ist eine neue Erbrechtsverordnung innerhalb der EU erlassen worden. Sie sorgte für eine drastische Veränderung. Vor diesem Datum galt für viele Länder innerhalb Europas: Die Staatsangehörigkeit bestimmt, welches Erbrecht beim Nachlass verwendet wird. Jetzt ist alles anders. Nun rückt der Wohnort des Erblassers ins Zentrum. Es zählen demnach die erbrechtlichen Erlassungen des Landes, in dem der Verstorbene zuletzt gelebt hat. Für einen deutschen Rentner in Spanien greift daher nicht das deutsche Recht, sondern das spanische Recht. Doch keine Regel ohne Ausnahme. Die neue EU-Erbrechtsverordnung gilt nicht für Dänemark, Irland und das Vereinigte Königreich.

Wann greift die EU-Erbrechtsverordnung?

Diese Regelung greift für alle, die dauerhaft in einem Staat leben und dessen Staatsangehörigkeit nicht besitzen. Ein paar Beispiele:

  • Rentner im Ausland
  • Pflegebedürftige in ausländischen Heimen
  • Arbeiter, Arbeitnehmer und Unternehmer im Ausland

Ausgenommen von dieser Regelung sind Personen, die beispielsweise über Immobilien in Italien verfügen und dort nur gelegentlich ihre Ferien verbringen. Kurzum: Die neue Verordnung betrifft alle, die ihren gewöhnlichen Aufenthalt im Ausland haben.

Was bedeutet eigentlich die Phrase »gewöhnlicher Aufenthalt«?

Die neue EU-Verordnung definiert nicht, was sich genau hinter dieser Begrifflichkeit verbirgt. Somit besteht ein gewisser Spielraum hinsichtlich der Deutung, der im Zweifelsfall zu Streitfragen führen kann. Grundsätzlich werden die Lebensumstände des Erblassers vor seinem Tod und zum Zeitpunkt des Erbfalls begutachtet. Dabei müssen Fragen beantwortet werden, die sich auf die Aufenthaltsdauer in dem jeweiligen Staat beziehen. Darüber hinaus ist wichtig zu beurteilen, inwiefern eine Bindung zu dem Staat bestand und ob dies sein sozialer sowie familiärer Mittelpunkt gewesen ist. Doch Achtung: Eine fixe Zahl für die Mindestverweildauer existiert nicht. Schwierig kann es daher bei Grenzfällen werden, zu denen Berufspendler, Auslandsstudenten oder Mallorca-Rentner gehören.

Es besteht die Möglichkeit zur Rechtswahl

Die erbrechtlichen Gegebenheiten können sich von Land zu Land stark unterscheiden. Aus diesem Grund hat die EU-Erbrechtsverordnung die Rechtswahl eingeräumt. Dies bedeutet, dass eine Person in ihrem Testament fixieren kann, dass mit seinem Nachlass nach dem Erbrecht des Landes seiner Staatsangehörigkeit verfahren werden soll. Somit kann beispielsweise ein deutscher Rentner mit Wohnsitz in Spanien bestimmen, dass für sein Testament das deutsche Recht Anwendung findet. In diesem Fall ist es erforderlich, sich vorab mit einem Rechtsanwalt zu besprechen. Mit diesem lässt sich eine durchdachte Nachlassplanung aufsetzen, die klar und eindeutig ist.

Und wie sieht die Nachlassregelung für Länder außerhalb der EU aus?

Zwar wird die neue Verordnung EU-Erbrechtsverordnung genannt, aber sie umfasst auch die Nicht-EU-Länder. Dies bedeutet, dass vor Gerichten das Recht des Staates gilt, in welchem der Verstorbene seinen gewöhnlichen Aufenthalt hatte. Lebt beispielsweise ein deutscher Rentner in Argentinien, werden die deutschen Gerichte für seinen Nachlass die argentinischen Rechtsverordnungen zum Erben heranziehen.

Inwiefern beeinflussen die unterschiedlichen Gesetzeslagen den Umgang mit dem Nachlass?

Die vorangegangenen Erläuterungen zeigen, dass die deutschen Regelungen zum Vererben und Erben – vermerkt in § 1922 bis § 2385 BGB des Erbrechtgesetzes – im Ausland für gewöhnlich nur noch Anwendung finden, wenn der Erblasser die Rechtswahl im Testament fixiert hat. Doch unterscheiden sich die erbrechtlichen Gegebenheiten von Land zu Land wirklich so stark, dass dies notwendig sein kann? Ein paar Beispiele offenbaren, wie unterschiedlich das Erbrecht in verschiedenen Ländern ist:

  1. In Deutschland gibt es die Option des Erb- und Pflichtteilsverzichts. Noch zu Lebzeiten werden diese Vereinbarungen getroffen. In anderen Ländern gibt es diese Möglichkeit oft nicht. Wer solch einen Verzicht vor seinem Umzug ins Ausland aufgesetzt hat, profitiert von diesem unter Umständen nach dem Umzug nicht mehr. Ein bereits ausbezahlter Pflichtteilsbegünstigter kann nun trotz deutschem Pflichtteilsverzicht doch noch erben, da der Erblasser im Ausland lebt.
  2. Außerhalb Deutschlands sind gemeinschaftliche Ehegattentestamente oft ungültig.
  3. In Spanien und Frankreich kann der Ehepartner nahezu komplett vom Erbe ausgeschlossen werden. In Schweden kann der Ehepartner Alleinerbe sein.

Bereits diese wenigen Beispiele weisen darauf hin, wie wichtig es sein kann, sich mit der erbrechtlichen Gesetzeslage im jeweiligen Aufenthaltsland auseinanderzusetzen oder den Wunsch der Rechtswahl zu äußern.

Wie lässt sich das Recht auf das Erbe außerhalb Deutschlands nachweisen?

In Deutschland ist der Erbschein neben dem Testament das maßgebende Dokument, um nachzuweisen, dass man erbberechtigt ist. Handelt es sich um Erbschaften mit Auslandsbezug, kann sich das europäische Nachlassverzeichnis als hilfreich erweisen. Der Erbschein hat in Deutschland innerhalb des Rechtsverkehrs einen großen Gutglaubensschutz. Doch werden die Grenzen der Bundesrepublik überschritten, stellt sich die Sachlage anders dar. Dort ist er oft nicht anerkannt, was zu nachhaltigen Schwierigkeiten bei der Übernahme von Liegenschaften oder dem Auflösen von Konten führen kann. Mithilfe des europäischen Nachlassverzeichnisses lässt sich der Erbanspruch im Geltungsbereich der EU-Rechtsform nun besser sowie unkomplizierter nachweisen. Auf der anderen Seite muss bedacht werden, dass das europäische Nachlassverzeichnis im Unterschied zum bekannten deutschen Erbschein für den Rechtsverkehr nur einen limitierten Gutglaubensschutz besitzt. Dies führt in der Praxis oft zu Problemen. Der Gang zum Rechtsanwalt ist bei Rechtsfragen mit Auslandsbezug oft unerlässlich.

Was sollte ich tun, wenn ich im Ausland lebe oder ein Erbe mit Auslandsbezug antreten möchte?

Rechtsexperten raten im Ausland lebenden Deutschen dazu, bestehende Pflichtteilsvereinbarungen, Erbverträge und Testamente aufgrund der EU-Neuregelung zu überprüfen. Auf diese Weise könnten künftige Erblasser vermeiden, dass ihre Wünsche eventuell nicht erfüllt werden. Nur durch eine sorgfältige Zusammenarbeit mit einem Rechtsanwalt kann sichergestellt werden, dass die gewünschte Nachfolgeplanung Anwendung findet.

Wer einen Nachlass mit Auslandsbezug erbt, sollte sich im Zweifelsfall ebenfalls an einen Anwalt wenden. Dabei ist es wichtig zu überprüfen, ob ein Erbnachweis erforderlich ist. Sollten zum Erbe Immobilien gehören, wird dies aller Voraussicht nach der Fall sein. Teilweise raten Anwälte den Erben dazu, einen Erbschein und europäisches Nachlassverzeichnis parallel zu beantragen.

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Photo by Markus Spiske on Unsplash

Publiziert am 
Nov 26, 2018
 in Kategorie:
Erben

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