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as Berliner Testament ist sehr beliebt. Ehepaare nutzen es, um sich gegenseitig als Erben einzusetzen. Erst wenn beide Eheleute tot sind, erben die Kinder. So hilfreich dieses Testament auch ist, es kann sich im Einzelfall als problembehaftet herausstellen. Von der Bindungswirkung und der Unveränderlichkeit bis hin zu den Berliner Testament Kosten klären wir Sie hier über die wichtigsten Fallstricke auf.

1. Nachteil: Berliner Modell als Erbe mit Bindungswirkung

Das Berliner Testament wird gelegentlich als Berliner Modell bezeichnet. Welche Bezeichnung auch genutzt wird, eines ist sicher: Dieses Ehegattentestament hat eine besondere Bindungswirkung. Es wird gemeinschaftlich verfasst und stellt eine wechselseitige Verfügung dar. Aus diesem Grund kann es nur gemeinsam von beiden Partnern geändert werden. Was eigentlich ein Vorteil ist, kann sich mit der Zeit als Nachteil erweisen. So kann gerade diese Bindungswirkung zu familiären Streitigkeiten bis hin zu gerichtlichen Auseinandersetzungen führen.

Ein Beispiel verdeutlicht die Schwierigkeiten, die durch die Bindungswirkung entstehen können: Siegfried und Sieglinde haben ein Berliner Testament gemacht. Siegfried verstirbt 20 Jahre später. Sieglinde erbt alles. Die bereits erwachsenen Kinder erben erst, wenn auch sie stirbt. Fünf Jahre nach dem Tod von Siegfried überwirft sich Sieglinde mit dem jüngsten Sohn. Er will von seiner Mutter nichts mehr wissen und beschimpft sie. Sieglinde hat sogar berechtigt den Verdacht, er hätte die Münzsammlung des toten Vaters gestohlen, kann es aber nicht beweisen. Zur Polizei möchte sie nicht gehen. Stattdessen würde sie gern alles der Tochter vererben, die sich aufopfernd um Sieglinde kümmert. Doch: Aufgrund des Berliner Testaments kann die alte Dame nicht mehr veranlassen, dass der Sohn nur noch seinen Pflichtteil erbt. Das einst aufgesetzte Ehegattentestament hat Bindungswirkung.

2. Nachteil: Berliner Testament schützt nicht vor dem Pflichtteilsanspruch

Eltern wählen gern das Berliner Testament, um den Partner im Todesfall des anderen abzusichern. Das kann vor allem ratsam sein, wenn es um Immobilien geht. Verstirbt der eine Ehepartner, erhält der andere das Eigenheim und kann somit weiterhin darin wohnen. Die Kinder erhalten das Haus erst nach dem Tod des zweiten Elternteils. Gäbe es kein Berliner Testament sondern würde nach der gesetzlichen Erbfolge verfahren, würden die Kinder ebenfalls einen Teil der Immobilie erben und könnten damit auf den geldlichen Anteil des Hauses pochen. So müsste der überlebende Elternteil eventuell das Haus verkaufen, um die Kinder auszuzahlen. Genau das soll mit dem Berliner Testament verhindert werden.

Doch hier wiegen sich die Eltern nur in einer trügerischen Sicherheit, denn die Kinder können beim Berliner Testament ihren Pflichtteil berechnen und einfordern. Verstirbt ein Elternteil haben sie nämlich trotz Berliner Testament Anspruch auf einen Pflichtteil des Erbes. Er beläuft sich auf 50 % ihres regulären Anteils. Das kann den überlebenden Elternteil in solch große finanzielle Schwierigkeiten bringen, dass er das Haus doch noch verkaufen muss.

Extra-Tipp: Um dieses Risiko zu minimieren, gibt es die sogenannte Pflichtteil-Strafklausel. Sie schützt zwar nicht vor der Pflichtteilseinforderung, aber kann dazu verleiten, doch nicht den Pflichtteil einzufordern. So besagt solch eine Klausel, dass das Kind, welches den Pflichtteil nach dem Tod des ersten Elternteils einfordert, nichts von dem Erbe erhält, was der zweite Elternteil schlußendlich hinterlassen wird. Solch eine Klausel kann daher eine abschreckende Wirkung haben. Allerdings nur dann, wenn der noch überlebende Elternteil nicht aufgrund von Pflegeheimkosten oder anderen großen Ausgaben das Erbe des verstorbenen Partners aufbraucht.

3. Nachteil: Das Berliner Testament und die Steuer

Um diesen Nachteil zu erklären, sei ein Beispiel aufgeführt: Siegfried stirbt und vererbt per Berliner Testament seiner Frau Immobilien in München in einem Wert von 1.000.000 Euro. Da Sieglinde als Ehepartner nur einen Steuerfreibetrag von 500.000 Euro hat, fällt auf die verbleibenden 500.000 Euro eine Erbschaftsteuer an. Hätten die beiden erwachsenen Kinder auch geerbt, wäre diese entfallen. Dann hätte Sieglinde 500.000 Euro geerbt und jedes Kind 250.000 Euro. Da der Freibetrag bei dem eigenen direkten Nachkommen bei 400.000 Euro liegt, hätten auch sie keine Erbschaftsteuer bezahlt. Wenn die Kinder letztlich ihre Mutter mit je 500.000 Euro beerben, müssen sie eine Erbschaftsteuer auf je 100.000 Euro zahlen. Somit würde das wertvolle Erbe von Siegfried im Fall der Anwendung des Berliner Testaments gleich zweimal besteuert werden. Bei einem Vererben nach gesetzlichen Erbfolge würde die Steuer für alle entfallen.

4. Nachteil: Gültigkeit des Berliner Testaments im Ausland und nach Scheidung

Das Berliner Testament stellt eine Besonderheit im Erbrecht dar - auch im Ausland. Lebt das Ehepaar nicht in Deutschland, kann es sein, dass diese Testamentsform nicht akzeptiert wird. Schwierigkeiten sind vorprogrammiert. Darüber hinaus ist dieses Ehegattentestament nach einer Scheidung ungültig, sofern es keinen anderen Passus enthält. Besonders knifflig kann es werden, wenn das Paar emotional bereits getrennt ist und eine Scheidungsabsicht besteht, aber dies noch kein Gericht weiß. Ist noch keine Scheidung eingereicht, gilt das Berliner Testament weiter. Stirbt von dem zerstrittenen Ehepaar ein Noch-Ehepartner, erbt der andere alles. Wenn das vermieden werden soll, muss das Testament bei einer anbahnenden Scheidung sofort von beiden aufgehoben werden.

5. Nachteil: Berliner Testament und ein neuer Ehepartner

Siegfried aus unserem Beispiel verstirbt. Sieglinde erbt nach dem Berliner Testament alles und die Kinder sollen im Anschluß die Alleinerben von ihrem Vermögen sein. Das war der Wunsch von beiden Eheleuten, Siegfried und Sieglinde. Drei Jahre nach Siegfrieds Tod verliebt sich Sieglinde neu und heiratet überraschend. Jetzt hat die Witwe ein Jahr nach der standesamtlichen Heirat die Möglichkeit, das mit Siegfried aufgesetzte Berliner Testament erfolgreich anzufechten. So könnte dann ihr neuer Mann auch ein Erbe werden. Verstirbt Sieglinde, müssten sich die Kinder ihr Erbe mit dem neuen Mann teilen. Der neue Ehepartner bekäme 50 % und die Kinder je 25 %. Somit verringert sich ihr Erbe, was vielleicht nicht im Sinne von Siegfried war. Um solch einen Fall auszuschließen, gibt es die Wiederverheiratungsklausel, die allerdings nicht komplett ohne Tücken ist. Es ist daher wichtig, sich von einem Notar beraten zu lassen.

6. Nachteil: Das Berliner Testament und die Kosten

Es ist möglich, kostenfrei ein Testament per Hand zu schreiben und daheim zu verwahren. Damit es rechtsgültig ist und im Todesfall gefunden wird, raten Experten allerdings zu einem notariellen Testament. Dies nennt sich in diesem Fall öffentliches Berliner Testament. Selbstverständlich ist solch ein Berliner Testament mit Kosten verbunden, die je nach Höhe des Nachlasses rasch im höheren drei- oder gar vierstelligen Bereich liegen. Änderungen an diesem zu einem späteren Zeitpunkt sind ebenfalls mit Kosten und Aufwand verbunden.

7. Nachteil: Das Berliner Testament und Halbgeschwister

Aus der Sicht von den leiblichen Kindern eines Elternteils kann das Berliner Testament einen weiteren Nachteil haben: So erben auch die Halbgeschwister und damit die Stiefkinder, obgleich sie vom Stiefelternteil nicht adoptiert wurden. Dies liegt daran, dass die Ehepartner sich gegenseitig als Alleinerben einsetzen. Alle Kinder - ob leibliche Kinder oder Stiefkinder - werden zu Schlusserben des Elternteils, welcher als letzter verstirbt. Bei der gesetzlichen Erbfolge hingegen erben Stiefkinder, die nicht von der Stiefmutter oder Stiefvater adoptiert wurden, nichts. Bei Halbgeschwistern kann gerade dies zu Streit führen.

Die hier angebotenen Informationen ersetzen keine Rechtsberatung. Bitte wenden Sie sich an einen qualifizierten Anwalt, Fachanwalt oder Notar, um Ihre eigene Situation abzuklären.

Stand Februar 2021

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Photo by Levin on Unsplash

Publiziert am 
Feb 11, 2021
 in Kategorie:
Testament

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