P

flichtteilsberechtigte lassen sich nur in Härtefällen vom Erbe komplett ausschließen. Ansonsten erhalten Sie vom Nachlass einen Teil, obgleich der Erblasser sie im Testament explizit enterbt hat. Die Enterbung hat demnach gewisse Grenzen, da das Erbrecht den Wunsch des Erblassers überstimmt.​

Die Höhe des Pflichtteils ist allerdings auf 50 % des Wertes des gesetzlichen Erbteils der enterbten Person beschränkt. So sagt es § 2303 Abs. 1 S. 2 BGB. Um den Pflichtteil tatsächlich zu empfangen, muss der Betreffende jedoch aktiv werden. Hierbei muss er sich an die Verjährungsfristen halten.

Wie erhalte ich meinen Pflichtteil?

Jeder Pflichtteilsberechtigte muss sich selbstständig um seinen Pflichtteil kümmern. In der Praxis heißt dies: Er muss direkt an die Erben herantreten und bei ihnen seinen Anteil am Nachlass anfordern. Tut er dies nicht, erhält er auch nichts vom Erbe. Die Erben aus dem Testament müssen nicht eigenständig den Pflichtteil an den Pflichtteilsberechtigten abtreten, sondern müssen dies erst nach ausdrücklicher Aufforderung des Pflichtteilsberechtigten tun. Genau hier liegt viel Streitpotenzial, was sich durch gütliche Einigungen umgehen ließe. Auf diese Weise ist das Erbe mit weniger Stress und Kosten verbunden. Anwalts- und Gerichtskosten können sehr hoch sein und nur wenige Erben sind diesbezüglich leistungsstark versichert.

Wird der Anspruch auf den Pflichtteil offiziell eingefordert, muss der Pflichtteilsberechtigte beachten, dass dieser Anspruch verjährt. Ist er bereits verjährt, ist der Pflichtteilsanspruch zwar nicht gestrichen, aber die Erben müssen ihm nach § 214 Abs. 1 BGB nicht mehr nachkommen.

Wie lang sind die Verjährungsfristen?

Grundsätzlich beträgt die Verjährungsfristen beim Pflichtteil laut § 195 BGB drei Jahre. Der Fristbeginn ist stets Ende des Jahres, in dem der Erbfall eintrat. Jedoch besteht die dreijährige Verjährungsfrist nur, wenn der Pflichtteilsberechtigte Kenntnis über den Tod des Erblassers hatte. Zudem muss er darüber informiert worden sein, dass er enterbt wurde oder nur einen geringeren Erbteil erhalten sollte, als ihm normalerweise zustehen würde.

In einigen Familien ist kaum oder kein Kontakt untereinander vorhanden. So kann es sein, dass beispielsweise ein Halbgeschwister erst viele Jahre später vom Tod des Vaters in Kenntnis gesetzt wird. Was ist nun zu tun? Das Gesetz hat auch hierfür vorgebeugt und räumt dann eine Verjährungsfrist von 30 Jahren kenntnisunabhängig ein. Hatte der Vater uneheliche Kinder, von denen keiner etwas wusste, kann es also sein, dass diese noch viele Jahre nach seinem Tod an die Erben herantreten. Insbesondere die Boulevardpresse ist voll mit solchen Beispielen aus der Welt der Prominenten. Ein Vaterschaftstest kann verlangt werden, um den rechtsmäßigen Anspruch zu bestätigen.

Wer muss beweisen, dass die Verjährungsfrist verstrichen ist?

Ein großes Streitthema bezüglich der Verjährungsfrist im Erbrecht ist, wann sie begonnen hat und ob sie nicht bereits abgelaufen ist. Die Erben haben oft ein großes Interesse daran, dass der Pflichtteilsberechtigte seinen Anteil nicht erhält. Sie sind es auch, die in der Beweislast bezüglich eines Verjährungstatbestandes stehen. Das heißt: Sie müssen nachweisen, dass die Verjährungsfrist abgelaufen ist. Dies ist in der Praxis oft nicht einfach. Immerhin muss vor Gericht nachgewiesen werden, dass der Pflichtteilsberechtigte von dem Erbfall und seiner Enterbung früher wusste, als er angegeben hat.

Kann ein Immobilienerbe verjähren?

Zu einem Erbe gehören alle Vermögenswerte und Schulden sowie Verbindlichkeiten des Erblassers. Selbstverständlich zählen dazu ebenfalls alle Sachwerte wie Kunstwerke, Schmuck und eben auch Immobilien. Somit ist ein Immobilienerbe nach denselben Fristen verjährt wie ein monetäres Vermögen.

Jedoch müssen Pflichtteilsberechtigte in diesem Zusammenhang einen anderen Aspekt beachten: Sie erben keine Sachwerte, sondern ihr Anspruch wird mit einer Geldzahlung beglichen. Ein Beispiel: Hat eine Mutter eines ihrer Kinder enterbt, erhält es keinen Anteil an ihrem Haus in München und wird nicht ins Grundbuch eingetragen. Allerdings erhält es einen geldlichen Anteil an dem Haus. Können die anderen Erben diesen Anteil an den Pflichtteilsberechtigten nicht auszahlen, können sie ihm mit ins Grundbuch aufnehmen. Dies passiert bei einem Erbe mit Immobilien gar nicht so selten. Eine andere Möglichkeit für die Erben ist, die Zahlung des Pflichtteils aufzuschieben. Diese Aufschiebung unterliegt nach § 2331 a BGB sehr strengen Voraussetzungen. Der Antragssteller muss dem Gericht nachweisen, dass eine unverzügliche Pflichtteilsanspruchserfüllung einer »unbilligen Härte« gleichkäme. Die Erfahrung zeigt, dass viele Nachlassgerichte sehr genau die Sachlage überprüfen und auch stets die berechtigten Forderungen des Pflichtteilsberechtigten im Blick haben.

Wie erfahren Pflichtteilsberechtigte vom Erbe?

Zum Kreis der Pflichtteilsberechtigten gehören nach § 2303 BGB:

  1. alle Abkömmlinge des Verstorbenen und damit seine Kinder, Enkel und Urenkel; sie können ehelich, nichtehelich oder adoptiert sein
  2. Ehegatten und eingetragene Lebenspartner des Verstorbenen nach dem Lebenspartnerschaftsgesetz
  3. Eltern des Erblassers

Hinweis: Grundsätzlich gehören zwar alle oben aufgelisteten Personengruppen zum Kreis der Pflichtteilsberechtigten, aber sie haben nicht alle zugleich einen Pflichtteilsanspruch. Direkte Abkömmlinge aus der ersten Gruppe und die Partner (zweite Gruppe) haben gegenüber den anderen Abkömmlingen ein Vorrecht.

Doch nicht immer besteht ein Kontakt zwischen den Familienmitgliedern. Dies kann es schwierig machen, von einem Erbe zu erfahren. Wer zum Kreis der Pflichtteilsberechtigten gehören könnte, sollte daher selbst aktiv werden. Dies ist auch wichtig, um den Bestand der grob fahrlässigen Unkenntnis zu umgehen. Wann diese vorliegen kann, hat das OLG München BeckRS 2017, 103967 aufgeführt: So läge eine grob fahrlässige Unkenntnis vor, wenn sich der Pflichtteilsberechtigte nicht innerhalb von 12 Monaten nach Kenntnis des Todes des Vaters darüber informiert hat, dass er von diesem testamentarisch enterbt wurde. Dies würde bedeuten, dass die dreijährige Verjährungsfrist mit Beginn der Kenntnisnahme des Todes des Vaters beginnt.

Pflichtteilsanspruch verjährt später, als gedacht: das Prinzip der Hemmung der Verjährung

Es gibt Umstände, die nach § 203 ff. BGB dafür sorgen, dass der Pflichtteilsanspruch erst später verjährt. Solch eine Hemmung kann eintreten, wenn der Pflichtteilsberechtigte nicht zu finden ist. Da er unauffindbar ist, kann er über den Erbfall und über seine Enterbung bzw. die Reduzierung seines Erbteils nicht informiert werden.

Eine Hemmung der Verjährung tritt ebenfalls ein, wenn sich die Erben und der Pflichtteilsberechtigte in einer Verhandlung über das im Testament vermerkte Erbe befinden. Die Hemmung wird erst aufgelöst, sobald die Verhandlungen von einer der Streitparteien beendet oder abgebrochen werden. Ein weiterer Fall für eine Fristhemmung ist die Ehe. Sollte eine kinderlose Person den Vater als Alleinerben mit seinem Nachlass begünstigen, so hat die Mutter einen Pflichtteilsanspruch gegen den Vater. Sind diese verheiratet, besteht die Hemmung der Verjährungsfrist so lange, wie die Ehe besteht. Erst bei einer etwaigen Scheidung beginnt die Verjährungsfrist.

Achtung: Für Minderjährige greift eine großzügigere Frist hinsichtlich der Verjährung des Pflichtteils. Gemäß § 207 Absatz 1 BGB bleibt die Verjährung so lange gehemmt, bis das 21. Lebensjahr erreicht wurde.

Ist es möglich, dass ein Pflichtteilsergänzungsanspruch verjährt?

Um Erbschaftssteuer zu sparen, jemanden zu Lebzeiten eine Freude zu machen oder Sachwerte wie Immobilien nicht in den Nachlass fallen zu lassen, entscheiden sich einige Menschen zu einer Schenkung. Aus dieser Schenkung kann allerdings ein Pflichtteilsergänzungsanspruch entstehen. Dies ist im § 2325 BGB vermerkt. Der enterbte Pflichtteilsberechtigte kann die sogenannte Pflichtteilsergänzung einfordern, deren Höhe sich an der Schenkung und an dem Zeitraum zwischen Schenkung und Erbfall bemisst. Bei diesem Anspruch wird davon ausgegangen, dass sich durch die Schenkung an einen Dritten der Nachlass verringert.

Nach drei Jahren ist der Pflichtteilsergänzungsanspruch verjährt. Damit der Anspruch aber überhaupt greifen kann, muss der Betreffende vom Tod des Erblassers, seiner Enterbung und der Schenkung erfahren. Nur wenn diese drei Bedingungen gegeben sind, beginnt die dreijährige Frist. Nicht selten wird die Schenkung erst lange nach dem Erbfall bekannt. Dies ist dann der Zeit für den Beginn der Verjährungsfrist. Theoretisch kann daher der Pflichtteilsanspruch verjährt sein, aber der Anspruch auf die Pflichtteilsergänzung noch nicht verjährt sein.

_______________

Photo by Aron Visuals on Unsplash

Publiziert am 
Nov 25, 2018
 in Kategorie:
Erben

Mehr zur Kategorie: 

Erben

alle ansehen

Erhalten Sie als erstes unsere neuesten Erbrecht Fachbeiträge

Niemals Spam. Lesen Sie unsere Datenschutzerklärung
Danke! Ihre Anmeldung war erfolgreich.
Hoppla! Beim Absenden des Formulars ist etwas schiefgegangen