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as deutsche Erbrecht ist mit seinen § 1922 bis § 2385 BGB umfangreich. Doch die vielen Paragraphen und Regelungen schützen nicht vor Erbstreitigkeiten, die die Beteiligten bis vor Gericht führen können. Manchmal streiten sie dort über viele Jahre hinweg. Jedoch gibt es auch Fälle, bei denen keine Erben vorhanden sind. Was passiert nun mit dem Nachlass?​

Er fällt dem Staat oder dem Bundesland zu. Vereinfacht wird häufig davon gesprochen, dass der Staat erbt. Das ist allerdings etwas unpräzise. Genau genommen erbt der Staat nur, wenn der Wohnsitz des Verstorbenen nicht ermittelt werden kann. Ist der Wohnsitz des Erblassers bekannt, hat das jeweilige Bundesland – in dem der Wohnsitz liegt – einen Anspruch auf den Nachlass. Im Folgenden wird erläutert, wann der Staat bzw. das jeweilige Bundesland erbt und welche weiteren Regelungen diesbezüglich existieren.

Erbt der Staat, wenn es kein Testament gibt?

Nein. Der Staat erbt nicht automatisch, wenn es kein Testament gibt. Die überwiegende Anzahl aller Bundesbürger verfasst keinen letzten Willen. Damit verlässt sie sich auf die gesetzliche Erbfolge, die klar darlegt, wer nun was erbt. Sie räumt vor allem den Ehepartnern und den Kindern des Verstorbenen ein Erbrecht ein. Um die Rechte als Erbe durchzusetzen, können die Erbberechtigten einen Erbschein beim zuständigen Nachlassgericht beantragen. Mit dem Erbschein ist es den Erben beispielsweise möglich, Bankkonten des Erblassers aufzulösen. Dieser Nachweis ist kostenpflichtig. Ein notarielles Testament hingegen kann den Erbschein ersetzen.

Sollte es keinerlei gesetzlichen Erben nach der gesetzlichen Rangfolge geben, erbt nach § 1936 BGB der Staat. Er nimmt quasi die Position der Erben letzter Ordnung ein.

Kein Testament. Keine Erben bekannt: Erbt sofort der Staat oder das Bundesland?

Sofort erbt der Staat bzw. das Bundesland nicht. Im ersten Schritt muss das jeweilige Nachlassgericht versuchen, etwaige Erben zu ermitteln. Dies ist im § 1964 BGB vermerkt. Abgesehen von der Pflicht zur Erbenermittlung muss das Nachlassgericht auch die Erbschaft nach § 1960 BGB verwalten. Dafür kann das Nachlassgericht einen Nachlasspfleger einsetzen, damit dieser die Erben ermittelt und die Erbschaft verwaltet. Somit vertritt der Nachlasspfleger quasi die unbekannten Erben und handelt in ihrem Interesse. Er wird versuchen, Erben zu ermitteln und ist bestrebt, dass die Erbschaft an ihrem Wert nicht unberechtigt verliert.

Immer wieder kommt es vor, dass sich in einem angemessenen Zeitraum keine Erben ermitteln lassen. Nun wird die Suche eingestellt und das Nachlassgericht kann den Fiskus mithilfe eines förmlichen Beschlusses als Erben feststellen. Sobald der Beschluss verkündet und erlassen ist, kann das Bundesland über die Erbschaft verfügen. Während der Zeit vor der Beschlussverkündigung ist es dem Fiskus nicht möglich, Rechte aus dem Nachlass geltend zu machen. Zudem können nach § 1966 BGB keine Verbindlichkeiten erhoben werden. Etwaige Gläubiger müssen also stets auf die Verkündigung des Beschlusses warten.

Kann auch mit Testament Staat oder Bundesland erben?

Ja, auch wenn es ein Testament oder einen Erbvertrag gibt, kann der Staat erben. Dies ist in der Regel der Fall, wenn sich die Erbberechtigten weigern, das Erbe anzunehmen. Erbausschlagungen finden in der Praxis zumeist statt, wenn der Nachlass nur aus Schulden besteht.

Eine weitere Möglichkeit ist, dass der Staat oder das Bundesland explizit als Erbe eingesetzt wurde oder die anderen Erben nur einen Bruchteil des Erbes erhalten.

Beerben Staat und Bundesland auch ausländische Erblasser?

Eine Erbschaft mit Auslandsbezug stellt einen Sonderfall beim Erbrecht dar. Bei deutschen Staatsbürgern ohne Testament und gesetzlichen Erben erbt als letzte Instanz der Staat oder das Bundesland. Handelt es sich um Personen mit einer anderen Staatsangehörigkeit, stellt sich die Sachlage anders dar. Für sie gilt das Erbrecht des Ursprungslandes. Ein Beispiel: Ein Italiener besitzt Immobilien in München. Er stirbt, ohne Angehörige oder ein Testament zu hinterlassen. Nun greift für ihn das italienische Erbrecht.

Wenn eine Rückverweisung auf das deutsche Erbrecht stattgefunden hat, kann es jedoch sein, dass für den Erblasser aus dem Ausland das deutsche Erbrecht Anwendung findet. Passiert dies, kann der Staat oder das Bundesland erben.

Lässt sich das Staatserbrecht umgehen?

Das Staatserbrecht, auch Fiskus- oder Fiskalerbrecht genannt, lässt sich verhindern. Wer keine gesetzlichen Erben hat, kann ein Testament aufsetzen. In diesem Testament kann vermerkt werden, dass alles Vermögen auf den Bankkonten, die Immobilien und alle weiteren Vermögenswerte beispielsweise einem besonderen Zweck zugutekommen sollen. Oft werden Stiftungen, Vereine oder Vergleichbares von den Alleinstehenden eingesetzt. Auf diese Weise erben sie und nicht der Staat oder das Bundesland.

Dies in der Praxis durchzusetzen, erweist sich nicht als schwierig. Die gewillkürte Erbfolge und demnach das Testament oder der Erbvertrag haben stets zum Erbrecht des Staates Vorrang. Es genügt, wenn der Betreffende eine rechtsgültige Verfügung von Todes wegen aufsetzt. Es kann sich also um einen Erbvertrag oder ein Testament handeln.

Kann ein Erblasser den Staat bewusst als Erben ernennen?

Es ist durchaus möglich, dass der Staat oder das Bundesland bewusst zum Erbe ernannt werden. Dies ist in der Praxis zumeist bei testamentarischen Erbschaften der Fall, die zweckgebunden sind. So kann beispielsweise ein Erblasser bestimmen, dass seine Kunstwerke einem Museum zugutekommen. Um etwaige Streitigkeiten diesbezüglich zu vermeiden, sollte das Testament mit einem Rechtsanwalt für Erbrecht aufgesetzt werden.

Kann der Staat Miterbe sein?

Das Prinzip »ganz oder gar nicht« existiert bei der Fiskalerbschaft nicht. Der Staat oder das Bundesland kann Miterbe einer Erbschaft sein. Dies ist beispielsweise der Fall, wenn es ein Testament gibt. In diesem Testament hat der Erblasser vermerkt, dass es einen Erben gibt, der allerdings nur einen Bruchteil der Erbschaft erhält. Für den verbleibenden Teil des Erbes tritt nach § 2088 BGB die gesetzliche Erbfolge ein. Findet sich kein Erbberechtigter, springt der Staat oder das Bundesland als Miterbe ein.

Übernehmen Bundesland und Staat auch Schulden und Verbindlichkeiten des Erblassers?

Der Staat und das Bundesland sind die einzigen Erben, welche nach § 1942 Absatz 2 BGB das Erbe nicht ausschlagen dürfen. Sie können dies selbst dann nicht tun, wenn der Nachlass stark überschuldet ist. Der Staat bzw. das Bundesland ist dazu verpflichtet, sich um die Erbabwicklung zu kümmern. Im Rahmen dessen ermitteln sie, welche Vermögenswerte, Schulden und Verbindlichkeiten bestehen. Aus dem Vermögen werden die Schulden und Verbindlichkeiten bezahlt. Hierbei ist zu beachten, dass der Staat bzw. das Bundesland nicht wie andere Erben für die Nachlassverbindlichkeiten haftet, die über die Erbmasse hinausgehen. Eine Haftung mit dem Eigenvermögen gibt es demnach nicht, wodurch eine Überschuldung verhindert wird. Etwaige Gläubiger bleiben somit auf ihren ausstehenden Forderungen sitzen.

Fiskalerbschaft: Wer bezahlt die Bestattung?

Erbt Staat oder Bundesland, werden die Beerdigungskosten aus dem Vermögen der Hinterlassenschaft bezahlt. Sollte diese dafür nicht reichen, kommt es zu einer Sozialbestattung. Dies bedeutet folgendes: Das für den Sterbeort zuständige Sozialamt zahlt die Beerdigung. Jedoch gibt es eine wichtige Ausnahme: Sollte der Staat oder das Bundesland erben, weil die anderen Erbberechtigten die Erbschaft ausgeschlagen haben, kann sich die Gemeinde die Beerdigungskosten von den Angehörigen zurückholen. Dies liegt daran, dass die Beerdigungskosten unter die Unterhaltspflicht fallen. Wer dem Erblasser zum Unterhalt verpflichtet gewesen ist, müsste die Beerdigung nach den Regelungen der Bestattungspflicht bezahlen. Nur wenn diese Person für die Bestattung aufgrund mangelnder finanzieller Möglichkeiten nicht aufkommen kann, übernimmt die Gemeinde die Kosten. Das Amt verlangt darüber einen dementsprechenden Nachweis.

Publiziert am 
Nov 23, 2018
 in Kategorie:
Erben

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