W

er eine Immobilie erbt, denkt zunächst an deren Zustand, Wert und zukünftige Nutzung. Doch häufig tritt die finanzielle Realität in Form der Erbschaftsteuer schnell in den Vordergrund, weswegen sogar manch einer darüber nachdenkt, das Erbe auszuschlagen. Seit dem Jahressteuergesetz 2024 gelten ab 2025 neue Regeln, die Erben etwas mehr Spielraum geben. Möglich wird eine verlängerte Stundung der Erbschaftsteuer über mehrere Jahre hinweg, wenn bestimmte Voraussetzungen erfüllt sind. Der Gesetzgeber will damit Härtefälle vermeiden, in denen Immobilien zur Begleichung der Steuerlast übereilt verkauft werden müssten.

Was bedeutet Stundung der Erbschaftsteuer?

Die Stundung ist eine zinslose oder verzinste Verschiebung der Fälligkeit der Erbschaftsteuer. Sie verschafft dem Erben Zeit, um die erforderliche Liquidität beispielsweise durch Vermietung, Verkauf oder Umfinanzierung des geerbten Vermögens zu organisieren. Bereits nach bisherigem Recht war eine Stundung in bestimmten Fällen möglich.

Neu ist ab 2025, dass sich der Anwendungsbereich erweitert und die Stundung auf bis zu zehn Jahre ausgeweitet werden kann.

Konkret regelt das Jahressteuergesetz 2024, dass eine längere Stundung zulässig ist, wenn das geerbte Vermögen überwiegend aus einer Wohnimmobilie besteht und die sofortige Steuerzahlung nur durch einen Verkauf möglich wäre. Maßgeblich ist dabei die wirtschaftliche Zumutbarkeit: Kann ein Erbe die Steuer aus sonstigem Vermögen, Rücklagen oder Kreditmitteln nicht ohne erhebliche Nachteile zahlen, eröffnet sich die Option zur Stundung. In solchen Fällen kann das Finanzamt entscheiden, die Zahlung zu strecken. Die gesetzliche Grundlage findet sich in § 28 ErbStG in Verbindung mit den Änderungen durch das Jahressteuergesetz 2024. Die Details zur Umsetzung werden durch Verwaltungsvorschriften und Erläuterungen konkretisiert, wobei die Finanzämter einen gewissen Ermessensspielraum behalten.

Warum wurde die Regelung geändert?

Die Reform wurde notwendig, weil in den vergangenen Jahren viele Immobilien stark an Wert gewonnen haben. Besonders in städtischen Gebieten mit hoher Nachfrage führten Bodenrichtwertsteigerungen dazu, dass Immobilienvermögen die geltenden Freibeträge bei der Erbschaftsteuer oft überstieg. Gleichzeitig bleibt die Liquidität vieler Erben begrenzt, da Immobilien zwar vermögenswirksam, aber nicht schnell zu Geld zu machen sind.

Zahlreiche Fachverbände kritisierten die bisherige Situation. Immer häufiger mussten Erben Objekte verkaufen, obwohl sie diese gerne selbst genutzt oder im Familienbesitz erhalten hätten.

Die Finanzverwaltung sah sich dadurch mit steigenden Stundungsanträgen und Klagen konfrontiert. Der Gesetzgeber reagierte mit einer rechtlichen Neuregelung, die seit dem 1. Januar 2025 gilt.

Ziel der Änderung ist eine sozialverträglichere Ausgestaltung der Erbschaftsteuer bei Immobilien. Wer etwa als Kind das Elternhaus erbt, soll mehr Zeit erhalten, um die Steuerlast zu tragen, ohne unter Verkaufsdruck zu geraten. Gleichzeitig bleibt die Steuerpflicht bestehen, denn eine generelle Steuerbefreiung ist nicht vorgesehen.

Voraussetzungen für die Stundung ab 2025

Die Stundung ist an klare Kriterien gebunden. Möchten Sie von der Regelung profitieren, müssen Sie beim zuständigen Finanzamt einen entsprechenden Antrag stellen und dabei belegen, dass die gesetzlichen Voraussetzungen erfüllt sind. Zentrale Anforderungen sind:

  • Überwiegend ererbte Immobilie: Das geerbte Vermögen muss zu mehr als 50 % aus einer Wohnimmobilie bestehen.
  • Fehlende Liquidität: Der Erbe kann die Steuer aus laufenden Mitteln oder anderem Vermögen nicht ohne erhebliche wirtschaftliche Belastung zahlen.
  • Keine sofortige Selbstnutzung: Die Immobilie wird nicht selbst bewohnt (dann greifen andere Steuervergünstigungen), sondern etwa vermietet oder leerstehend übernommen.
  • Kein Verkauf vor Antrag: Die Stundung kann nur beantragt werden, solange das Objekt noch im Eigentum des Erben steht. Ein nachträglicher Antrag nach Veräußerung ist ausgeschlossen.

Zusätzlich ist ein schlüssiger Finanzierungsplan erforderlich. Das Finanzamt erwartet eine plausible Darstellung, wie die Steuer in Raten oder spätestens am Ende der Frist gezahlt werden soll.

Wie funktioniert die Antragstellung in der Praxis?

Nach Erhalt des Erbschaftsteuerbescheids bleibt dem Erben in der Regel ein Monat Zeit, um Einspruch einzulegen oder einen Stundungsantrag zu stellen. Dabei sollten die Antragsunterlagen vollständig eingereicht werden, um Verzögerungen zu vermeiden.

Folgende Dokumente sind üblich:

  • Nachweis über die Höhe der Steuerforderung (Bescheid)
  • Immobilienbewertung durch das Finanzamt (Ergänzung: Verkehrswertgutachten möglich)
  • Einkommensnachweise und Vermögensaufstellung des Erben
  • Erläuterung der wirtschaftlichen Lage mit Verweis auf die Unzumutbarkeit der sofortigen Zahlung
  • Zeitplan für Rückzahlung und/oder Verkaufsabsicht

Welche Laufzeiten und Konditionen gelten?

Die Regelung ermöglicht eine gestufte Stundung von bis zu zehn Jahren. In den ersten zwei Jahren kann das Finanzamt die Erbschaftsteuer vollständig und zinsfrei stunden. Ab dem dritten Jahr wird grundsätzlich ein Zinssatz von 0,5 % pro Monat fällig (analog zu § 234 AO) es sei denn, es handelt sich nach wie vor um einen unzumutbaren Härtefall.

Die konkrete Gestaltung erfolgt fallbezogen:

  • 0 bis 2 Jahre: zinsfrei möglich bei belegtem Liquiditätsengpass
  • 3 bis 7 Jahre: zinspflichtig gestuft
  • 8 bis 10 Jahre: nur bei glaubhaft geplanter Tilgung, z. B. durch künftigen Verkauf

In Ausnahmefällen kann auch eine Kombination mit einer sogenannten Verzichtsstundung infrage kommen, wenn sich beispielsweise bei selbstgenutztem Wohneigentum innerhalb von zehn Jahren noch ein Steuervergünstigungsgrund ergibt (etwa Einzug durch Ehepartner).

Auswirkungen auf Verkaufsstrategie und Erhalt

Die verlängerte Stundung eröffnet Erben neue Optionen. Wer nicht sofort verkaufen möchte, kann Zeit gewinnen, um etwa das Objekt zu modernisieren, zu vermieten oder eine geregelte Verkaufsphase einzuleiten. Das kann sich insbesondere in einem angespannten Marktumfeld lohnen, wenn kurzfristige Verkäufe mit Abschlägen verbunden wären.

Auch der familiäre Erhalt von Immobilien wird durch die Reform begünstigt.

In Mehrgenerationenhaushalten oder bei denkmalgeschützten Objekten kommt es häufig auf langfristige Perspektiven an. Mit einer gestreckten Steuerzahlung wird dieser Weg erleichtert.

Beispiel: Erbfall mit Doppelhaushälfte und knapper Liquidität

Ein Sohn erbt 2025 von seiner Mutter eine Doppelhaushälfte in Freiburg. Das Objekt hat laut Finanzamt einen Verkehrswert von 950.000 €. Nach Abzug des Freibetrags in Höhe von 400.000 € verbleiben 550.000 € als steuerpflichtiger Betrag. Der Steuersatz liegt bei 15 %, woraus sich einfach kalkuliert eine Steuerlast von 82.500 € ergibt.

Da der Sohn in Vollzeit studiert und nur über geringe Rücklagen verfügt, stellt er einen Stundungsantrag. Er plant, die Immobilie zu vermieten und in fünf Jahren zu verkaufen, um die Steuer zu begleichen. Das Finanzamt gewährt eine zinsfreie Stundung für zwei Jahre, anschließend eine verzinste Verlängerung um weitere drei Jahre.

Er nutzt die Zeit, um mit einem Energieberater eine Modernisierung durchzuführen. Die energetisch optimierte Immobilie erzielt später einen höheren Verkaufspreis, wodurch die Steuer fristgerecht getilgt werden kann. Ohne die Stundung hätte der Verkauf unter Zeitdruck erfolgen müssen und vermutlich weniger Geld eingebracht.

5 Kritikpunkte zur Steuerstundungsmöglichkeit

1. Verzerrung der Gleichbehandlung

Kritiker argumentieren, dass die neuen Stundungsregeln zu einer ungleichen steuerlichen Behandlung von Erben führen. Wer liquide Mittel besitzt, muss sofort zahlen, und wer Immobilien erbt, kann die Steuerzahlung über Jahre strecken. Das widerspricht aus Sicht mancher Steuerrechtler dem Gleichheitsgrundsatz des Grundgesetzes (Art. 3 GG).

2. Steuergestaltungsmodelle befürchtet

Es wird befürchtet, dass wohlhabendere Erben die neue Regelung nutzen könnten, um bewusst Immobilien anstatt liquiden Vermögens zu erben. Steuerberater könnten gezielt Vermögensumschichtungen empfehlen, um von der Stundungsoption zu profitieren.

3. Verwaltungsaufwand für Finanzämter

Für die Finanzverwaltung bedeuten die neuen Regelungen deutlich mehr Aufwand:

  • Prüfung der wirtschaftlichen Verhältnisse
  • Überwachung der gestundeten Beträge
  • Zinserhebung
  • Widerruf bei Änderungen der Lebensumstände

Gerade in Zeiten von Personalknappheit wird das als bürokratische Belastung angesehen.

4. Wirtschaftliche Risiken durch gestreckte Einnahmen

Haushaltspolitisch führt die Reform dazu, dass der Staat Steuereinnahmen erst verzögert verbuchen kann, was bei größerem Volumen (z. B. in Ballungsräumen) problematisch werden könnte.

5. Kritik von Immobilienverbänden: zu kurz gedacht

Einige Immobilienverbände hätten sich weitergehende Entlastungen wie etwa durch höhere Freibeträge oder eine grundsätzliche Neubewertung der Erbschaftsteuer für selbstgenutzte Immobilien gewünscht. Die Stundung sei nur ein „zeitlicher Aufschub“, keine strukturelle Lösung für den Wertezuwachs im Immobilienbereich.

So positiv die Stundungsmöglichkeit bei Erbschaftsteuer erscheint, ist sie also nicht. Sie kann Luft zur Planung schenken, aber ist mit einem gewissen Aufwand verbunden. Außerdem wird die Steuerzahlung nur aufgeschoben. Sie entfällt nicht.

Weitere Informationen und Quellen zum obigen Thema:

_______________

Ein Hinweis in eigener Sache: Die hier angebotenen Informationen dienen der Orientierung und ersetzen keine Rechtsberatung. Bitte wenden Sie sich an einen qualifizierten Anwalt, Fachanwalt oder Notar, um Ihre eigene Situation abzuklären.

Photo by Carmen Laezza on Unsplash

Publiziert am 
Jan 5, 2026
 in Kategorie:
Immobilien

Mehr zur Kategorie: 

Immobilien

alle ansehen

Erhalten Sie als erstes unsere neuesten Erbrecht Fachbeiträge

Niemals Spam. Lesen Sie unsere Datenschutzerklärung
Danke! Ihre Anmeldung war erfolgreich.
Hoppla! Beim Absenden des Formulars ist etwas schiefgegangen